Sonntag, 27. Oktober 2024

Die Politik-Dilemmata

Politik steht vor einigen Dilemmata, wenn sie strukturelle Probleme lösen will:

Parteiendemokratie

Demokratie bedeutet Parteiendemokratie. Zwei Faktoren erschweren dabei eine sachorientierte öffentliche Debatte:

  1. Parteitaktik

    Parteien bedeutet, dass politische Äußerungen in erster Linie den politischen Gegner schlecht aussehen lassen sollen; sich also nicht in erster Linie an der Sache orientieren. Das ist kein böser Wille der Politiker, sondern entspringt der Realität, dass diese nur politisch gestalten können, wenn sie gewählt werden. Also auch Politiker, die durchaus an Sachlösungen interessiert sind, haben ständig den Anreiz, in erster Linie gegen den politischen Gegner zu argumentieren.

  2. Innerparteiliche Logik

    In Parteien engagieren sich vor allem Menschen, die relativ stark ideologisch unterwegs sind. Diese hat zur Folge, dass

    • das Führungspersonal in Parteien bei öffentlichen Äußerungen immer im Auge haben muss, auch diese Menschen zu adressieren bzw. zu motivieren, damit sie weiterhin eine Führungsrolle in der Partei behalten und die Parteibasis auch ausreichend Wahlkampf macht. Dies bedeutet, dass wenn selbst Führungspersonen zu pragmatischen Lösungen bereit wären bzw. bei ihnen die Einsicht für deren Notwendigkeit wächst, sie nur begrenzt solche Lösungen offensiv voranbringen können.

    • Parteiprogramme oft nicht das widerspiegeln, wofür es eine breite Mehrheit in der Bevölkerung gibt. Wenn es gut geht, dann wird dieses Problem durch Koalitionen überbrückt, wenn es dafür eine Tradition im Land gibt. Dies scheint aber immer schlechter zu gelingen.

Zumutungen

Gerade in Zeiten, die von weniger ökonomischen Wachstum geprägt sind bzw. erst Strukturreformen unter Umständen erst wieder Wachstum ermöglichen, sind Strukturreformen in der Regel nur möglich, wenn Bürgern auch etwas zugemutet wird. Das offene Aussprechen solcher Zumutungen wird aber bei Wahlen vorsichtig gesagt nicht immer quotiert. Mit Wachstum ist leichter möglich Reformen durchzuführen, ohne jemanden etwas wegnehmen zu müssen. Außerdem besteht die Gefahr, dass wenn Maßnahmen mit Zumutungen verbunden sind, diese jene treffen, bei denen man glaubt, dass diese schlechter organisiert sind bzw. bei Wahlen nicht spürbar reagieren werden.

Zeitdilemma und Präventivparadoxon

Der Erfolg von Strukturreformen ist naturgemäß erst in der Zukunft zu spüren und auch dann ist es oft schwer diese noch bestimmten Maßnahmen zuzuordnen, da sich in der Regel vieles gleichzeitig auch bei den Rahmenbedingungen ändert.

Dies gilt auch umgekehrt, die Folgen einer schlechten Politik zeigen sich oft erst mit Zeitverzug.

Damit tun sich Wähler schwer, Wirkungen bestimmten Politiken zuzuordnen.

Werden Probleme präventiv gelöst, dann wird dies nicht wahrgenommen, da ja die Probleme nicht aufgetreten sind. Daher kann oft erst gehandelt werden, wenn das Kind eigentlich schon in den Brunnen gefallenen ist, insbesondere wenn das Handeln mit Zumutungen verbunden ist.

Autokratien

Es gibt keine Anzeichen, dass autokratische Regierungsformen eine "Lösung" sein könnten. 

Autokratische Regierungsformen neigen dazu, dass eine Führungsperson sich etabliert und je länger die Regierungszeit andauert,

  • es dieser Person in erster Linie um Machterhalt und nicht um das Gemeinwohl geht.
  • diese Personen durch ihre zunehmend Isolation und sich umgeben nur mit Loyalisten,  krude Ideen entwickeln.

Bei den meisten Autokratien handelt es sich außerdem um Zustimmungsdiktaturen, d.h. die Machthaber wollen grundsätzlich, dass eine Mehrheit hinter ihnen steht. Daher stehen diese Regierungen auch vor den oben genannten Problemen bei Zumutungen und dem Präventionsparadoxon.

Resümee

Es hilft nichts, wir müssen darauf hoffen, dass in Demokratien es immer wieder möglich ist, obige Dilemmata zu überwinden.

Dabei könnte helfen, wenn Politiker diese Dilemmata offensiv thematisieren würden.


Samstag, 12. Oktober 2024

Zwei-Staaten-Lösung jetzt

Auch damit aus dem im Moment wohl notwendigen militärischen Vorgehen von Israel nicht wieder Generationen von Terroristen generiert werden, aus denen sich dann letztendlich auch die Macht von Ländern wie Iran speist, muss die Zwei-Staaten-Lösung jetzt umgesetzt werden.

Dabei muss man sich von dem Ansatz verabschieden, dass die Zwei-Staaten-Lösung aus einem Verhandlungsprozess zwischen Israel und den Palästinensern einstehen kann. Die Weltgemeinschaft muss diese durchsetzen; auch gegen den Willen von Israel.

Folgende Punkte sollte die Zwei-Staaten-Lösung umfassen:

  1. Der zu gründente Staat Palästina auf dem Gebiet des Gazastreifens und des Westjordanlandes wird z.B. für 30 Jahre unter die Verwaltung der UN gestellt.
  2. Der Staat Palästina wird dabei vollkommen demilitarisiert. Der Besitz von Waffen oder auch der Besitz von Material, das zur Sprengstoff- oder Raketenherstellung etc. dienen könnte, ist strengstens untersagt. Dies wird durch regelmäßige und systematische Durchsuchungen von allen Immobilien und Personenkontrollen durchgesetzt.
  3. Ein Großteil der israelischen Siedlungen im Westjordanland muss geräumt werden. Wenn dies notwendig ist, wird dies auch durch Anwendung von Gewalt durchgesetzt.
  4. Ostjerusalem wird Hauptstadt von Palästina.
  5. Die palästinensischen Flüchtlinge im Libanon dürfen vorerst nicht nach Palästina.

Eine zentrale Frage wäre, wer genau Palästina verwalten soll. Die UN an sich dürfte dafür zu schwach sein, auch die Sicherheit von Israel garantieren zu können. Daher könnte es sinnvoll sein, wenn die USA diese Aufgabe federführend übernehmen. Sie könnte glaubhaft sowohl die Sicherheit Israels als auch den Bestand des neuen Staates Palästina garantieren. Allerdings gibt es eine große Einschränkung: Eine USA aus den 1990er Jahren hätte dazu die Kraft gehabt. Ob das heutige tief gespaltene Amerika dazu noch in der Lage wäre, ist leider sehr zweifelhaft. Es müsste daher eine größere Koalition gebildet werden, die diese Aufgabe übernehmen will und vom Sicherheitsrat dafür auch den Auftrag bekommt. Das dürfte eine sehr große Hürde sein.

Aus den Erfahrungen mit Afghanistan könnte man große Zweifel haben, ob ein Nation Building bei Palästina auch mit militärischen/polizeilichen Mitteln erfolgreich sein kann. Ein großer Unterschied zu Afghanistan wäre jedoch, dass das Gebiet des Staates Palästina wesentlich kleiner wäre und damit bei ausreichendem Einsatz von Mitteln und Personal ein Kontrollieren des Staatsgebietes möglich sein müsste.