Mittwoch, 15. Februar 2017

Wo ist der EU-Rettungsplan? Ein neues Angebot an GB?

Jetzt schauen alle gebannt auf die Wahlen in den NL und in Frankreich - wie das Kaninchen vor der Schlange - und hoffen einfach, dass es nochmal gut geht. Kann es das sein? Sollten wir statt dessen die EU jetzt nicht offensiv als Zukunftsprojekt angehen?

Was wir jetzt bräuchten wäre eine offensive Debatte darüber, bei welchen Themen die EU die Lösung ist und bei welchen Themen die EU nicht zuständig sein muss.

Dabei würde sich zeigen bei vielen Themen brauchen wir mehr EU, um die Zukunft für die Bürger positiv zu gestalten: Dazu gehört z.B.:
  1. Klimapolitik
  2. Beihilferecht (Verhinderung Subventionswettlauf zwischen den Staaten)
  3. Offene Märkte
  4. Verteidigungsunion
  5. Kartellrecht
  6. Datenschutz auch gegen FB und Google
Der Detaillierungsgrad sollte aber in einigen Fällen deutlich zurückgeschraubt werden in Fällen, die von weniger Bedeutung für die gesamte EU sind.


Die Landwirtschaftspolitik gehört ganz grundsätzlich auf den Prüfstand. Die Subventionen für die Landwirtschaft sind historisch gewachsen. Aber warum soll der Staat in der EU Landwirtschaft auf Dauer subventionieren (das ist übrigens blanker Protektionismus)? Wenn Subventionen, dann nur noch für eine gesellschaftliche Gegenleistung. Aber auch hier muss klar definiert werden, was ist eine gesellschaftliche Gegenleistung und was sind einfachen politisch gesetzte Rahmenbedingungen, die die Landwirtschaf wie jeder andere Wirtschaftszweig einfach einhalten muss.

Die EU muss in die Offensive gehen und den Bürgern erklären was und warum sie es macht. Dabei würde klar, dass die EU gerade ein Bollwerkt ist gegen die Gefahren der Globalisierung, welche die Populisten ja so betonen. Das hat schon etwas gespenstisches.

Neben dem Erklären und der Neujustierung der Aufgaben der  EU, muss für die Bürger deutlich werden, was die Perspektive der EU ist. Was ist die Vision? Bleibt es bei den Nebeneinander von Parlament, Rat und Kommission, das schwer verständlich ist für die Bürger? Wobei wir eigentlich durch mehr Rechte für das Parlament auf einem guten Weg sind. Eine konkrete Vision könnte sein, dass das EU-Parlament ein vollwertiges Parlament wird, das seine Regierung selbst wählt, die dann viele Aufgaben der Kommission übernimmt. Der Rat könnte dann bei diesen Aufgaben die Rolle eines Art Bundesrates wie in Deutschland haben. Damit wäre für den Bürger klar was in der EU entschieden wird und was zu Hause. Damit könnte auch ein öffentlicher Diskurs auf EU-Ebene in Gang kommen.

Bei der Aufgabenkritik sollte ein wichtiges Thema nicht ausgespart werden: Arbeitnehmerfreizügigkeit.

Ist man hier in der Integration vielleicht einen Schritt zu weit oder zu früh gegangen?  Gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit sprechen vorallem folgende Gründe:
  1. Die wirtschaftlichen Verhältnisse zwischen den EU-Mitgliedern sind höchst unterschiedlich. Damit besteht ein Anreiz für Geringqualifizierte in Ländern zu arbeiten, in denen die wirtschaftlichen Verhältnisse besser sind. In diesen Ländern geraten dann aber auch die dort Geringqualifierten in einen ruinösen Wettbewerb mit denen, die für noch weniger Geld und zu noch schlechteren Bedingungen arbeiten. Mit der Einführung des Mindestlohns in Deutschland hab man diese Gefahr zwar ein wenig gebannt, aber nicht aufgelöst. Eine Einwanderung in Sozialsysteme unterminiert jede sinnvolle nationale Arbeitsmarktpolitik.
  2. Ob man es nun gut findet oder nicht: Es existiert bei einer großen Mehrheit der Bürger eine Grenze der Integrationsbereitschaft. Die Arbeitneherfreizügigkeit und das Öffnen der Grenzen durch Deutschland waren entscheidende Punkte beim Brexit.
Die EU27 braucht eine Neujustierung und eine breite öffentliche Debatte über ihre Aufgaben und eine Vision über ihr Aussehen in 20 Jahren. Diese Debatte ist nur möglich, wenn die Aufgaben ordentlich ausgemistet und neu sortiert werden. Dann können wir entscheiden, wo brauchen wir mehr EU und wo brauchen wir weniger EU. Klar, eine solche Debatte birgt auch viele Risiken. Kann man dem Bürger erklären, wozu die EU gut ist? Wie soll es möglich sein, dass sich 27 Staaten auf überzeugende Lösungen einigen? Das ginge wohl nur über die Bürger der EU? Aber wer soll die Bürger der EU ansprechen ohne wirkliche EU-Politiker? Wie kann man es schaffen, dass sich alle Mitgliedstaaten dann auch an Regeln halten (siehe Ungarn und Polen in Demokratiefragen oder die Nichteinhaltung von Verschuldungsgrenzen)? Aber wie groß muss die Krise sein, damit sich doch vernünftige Lösungen durchsetzen?

Wenn die EU27 es sagen wir mal innerhalb eines Jahres schafft klar zu machen, dass man auf dem richtigen Weg ist. Dass man beim Thema Arbeitnehmerfreizügigkeit Kompromisse machen will. Könnte man auf dieser Basis GB nicht ein Angebot machen über den eigenen Austritt nocheinmal intensiv nachzudenken. Das würde die gesamte EU pushen, wenn wir GB wieder in die EU zurückholen könnten. Das wäre eine höchsteffektive Antwort auch auf Trump.

Ok, das ist alles im Moment überhaupt nicht realistisch. Aber die Realität ist es im Moment leider auch nicht. Ein Irrer und völlig Unqualifizerter ist Präsident der USA. Wenn dieser Präsident überhaupt etwas Gutes haben könnte, dann das, dass auch Positives plötzlich möglich wird, was vorher unrealstisch erschien.




Dienstag, 14. Februar 2017

Merkels Flüchtlingspolitik: Zwischen Versagen und humanitär notwendigen Entscheidungen

Ja, Merkels Flüchtlingspolitik war nicht einfach nur "falsch" oder einfach nur "richtig". Gibt es überhaupt politische Entscheidungen, die nur "richtig" sind?

Trotzdem würde es der politischen Kultur jetzt gut tun, wenn man im Nachhinein den Ablauf reflektiert und auch Fehlentscheidungen beim Namen nennt. Damit ergäbe sich die Möglichkeit die übergroße Mehrheit der Bürger mit der Flüchtlingspolitik Ende 2015 / Anfang 2016 zu versöhnen.

In Budapest haben sich unbeschreibliche Zustände abgespielt. Auf der Balkanroute waren bereits Tausende bei nahendem Winter unterwegs. Es bahnte sich eine humanitäre Katastrophe an, die keiner im Nachhinein hätte verantworten können. In Angesicht der Tatsache, dass sich Tausende in Ungarn zu Fuß auf der Autobahn in Richtung Deutschland aufgemacht hatten, gab es aus humanitärer Sicht keine andere Möglichkeit als zu entscheiden, diesen Menschen zu helfen und Busse loszuschicken.

Der entscheidende Fehler war nun, dass nicht gleichzeitig kommuniziert wurde, dass es sich hierbei um eine humanitäre Einzelaktion handelt. Damit wurde den Menschen suggeriert die Grenzen sind nun offen und alle finden Aufnahme in Deutschland. Damit hat Deutschland das weitere Anschwellen des Flüchtlingsstroms auf der Balkanroute zu einem großen Teil selbst verursacht.

Was hätte statt dessen geschehen können? Man hätte sofort die Länder auf der Balkanroute dabei unterstützen müssen Zäune zu bauen. Was ja dann letztendlich (aber eben zu spät) geschehen ist. Dann hätte das Dublinabkommen sofort wieder in angewendet werden müssen. In der Praxis hätte dies bedeutet, dass man auch auf der Balkanroute Busse losschicken hätte müssen, um die Flüchtlinge zurück nach Griechenland zu bringen, wo sie als erstes die EU betreten haben.

Die Kanzlerin hat in einer Pressekonferenz gesagt: Sie würde gerne die Zeit einige Jahre  zurückdrehen und bedauere es z.B., dass man die Länder im Süden der EU mit der Flüchtlingskrise zu sehr allein gelassen habe. Aber im Herbst 2015 hätte es eine Chance gegeben, diesen Fehler wieder gut zu machen. Frau Merkel hätte den Versuch unternehmen müssen, dass die EU in Griechenland für auf eine gewisse Dauer angelegte Flüchtlingslager für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge finanziert. Ich bin mir sicher, dass wäre politisch möglich gewesen. Das ist ihr großes Versäumnis. Ihr Ansinnen nach dem schrankenlosen Öffnen der Grenzen einen Verteilungsschlüssel in der EU durchzusetzen, war politisch äußerst naiv. Aus den Flüchtlingslagern in Griechenland, hätte dann Deutschland auch eine begrenzte Anzahl nach Deutschland holen können.

Das ging im Herbst 2015 auch völlig unter: Was sollten die syrischen Flüchtlinge eigentlich für einen Status haben? Geht es um eine zeitlich begrenzte Aufnahme oder um eine dauerhafte Einwanderung? Bei Bürgerkriegsflüchtlingen hätte man eindeutig sagen müssen, es handelt sich um eine zeitlich begrenzte Aufnahme. Was bedeutet hätte, dass man für die Kinder und Jugendlichen in den Flüchtlingslagern in ihrer Muttersprache eine gute Ausbilung organisieren hätte müssen, die sie dazu befähigt, nach ihrer Rückkehr ihr Land wieder aufzubauen.

Die entscheidende Frage bei diesem Konzept ist sicher, ob Griechenland und die EU dabei mitgemacht hätten (es hätte auch die Möglichkeit geben, gut geführte Flüchtlingslager auch außerhalb der EU zu errichten und zu finanzieren). Wichtig wäre das Signal gewesen: Die Grenzen nach Europa und speziell nach Deutschland sind nicht offen. Aber die EU hat sich nicht der Herausforderung einer humanitären Katastrophe in seiner unmittelbaren Nachbarschaft und in einer der Wiegen seiner eigenen Kultur gestellt; sondern überließ die ganze Last armen Nachbarländern wie Jordanien oder dem Libanon (mit Ausnahme von Deutschland und wenig anderen). Ich denke, ein EU-Deal innerhalb der EU mit Griechenland wäre politisch möglich gewesen. Jetzt fließen 6 Mrd. € in eine Türkei, die sich immer weiter von uns entfernt.

Die Kanzlerin hat den richtigen Zeitpunkt zum Umsteuern verpasst und kann sich auch jetzt nicht dazu durchringen einzugestehen, dass sie insbesondere nach der humanitär notwendigen Entscheidung im September 2015 entscheidende Fehler gemacht hat. Schade. Dabei hatte der scheidende Bundespräsident ihr eine gute Vorlage gegeben: "Unser Herz ist weit aber auch unsere Möglichkeiten sind begrenzt".

Deutschland kann ökonomisch sicher trotzdem die dann eingetretene sehr hohe Zahl an Flüchtlingen verkraften. Insbesondere da der Zustrom dann eben doch durch "Zäune" gestoppt werden konnte. Aber auch aufgrund der großen Zahl wird die Integration in unseren Arbeitsmarkt bei Vielen nicht gelingen. Auch weil nicht zu sehen ist, dass in unserem Bildungssystem dafür die notwendigen Kapazitäten in einer großen Kraftanstrengung bereitgestellt werden.

Und Merkel hat ihren Teil der Verantwortung beim Brexit und bei der Wahl in den USA.  Aber wer entscheidet macht Fehler und es ist nicht klar, ob die hier vorgestellte Alternative politisch auch möglich gewesen wäre. Aber es würde uns gut tun, wenn wir bei der Aufarbeitung der Flüchtlingskrise aus den Schützengräbern herauskommen und wieder mehr differenzieren würden - nicht nur bei diesem Thema. Glück auf!


Mittwoch, 1. Februar 2017

Trump hat das Potential uns alle sehr viel ärmer zu machen

Ein u.a. rein betriebswirtschaftlich „denkender“ Mensch ist nun Präsident der USA. Das kann in eine Katastrophe für die Menschheit führen. Das kann uns alle (einschl. USA) sehr viel ärmer machen, um nur eine Gefahr hier zu benennen. Jetzt geht es ums Ganze. Wir müssen vom worst case ausgehen, um ihn zu verhindern.


Was ist nun so schlimm daran, wenn der US-Präsident betriebswirtschaftlich tickt? Nachdem uns doch jahrzehntelang erzählt wurde, dass freie Märkte das Beste sind? Ja, Wettbewerbsmärkte können ein wunderbares Instrument der dezentralen Steuerung der Wirtschaft sein. Aber Märkte versagen auch. Sie sind blind für soziale und ökologische Fragen. Hier muss die Politik einen sinnvollen auf das gesamtgesellschaftliche Wohl ausgerichteten Rahmen setzen. Daher ist es schlimm, wenn ein US-Präsident betriebswirtschaftlich tickt.

Aber wie das nun mit der Globalisierung? Besteht hier nicht gerade das Problem, dass Politik diesen Rahmen nicht setzen kann? Ist es da nicht sinnvoll sich wieder auf die nationale Ebene zurück zu ziehen, da man nur dort handeln kann?

Ja, die Globalisierung hat einen eingebauten Webfehler. Sie hebelt tendenziell die politische Rahmensetzung bei sozialen und ökologischen Standards und eine gerechte Besteuerung von flüchtigem Kapital aus. Staaten haben den Anreiz durch niedrigere soziale und ökologische Standards oder niedrige Steuersätze kurzfristig sich einen Vorteil im internationalen Standortwettbewerb zu verschaffen. Ist es vor diesem Hintergrund nicht folgerichtig die Globalisierung abzublasen und uns wieder abzuschotten? Nein, das wäre fatal: (1) Die Weltwirtschaft ist bereits so verflochten, dass uns dieser Weg in eine langanhaltende Weltwirtschaftskrise führen würde. (2) Protektionismus führt zu weniger Wettbewerb und zu weniger Innovationen. Damit werden wir die globalen Probleme nicht lösen und das macht uns alle ärmer.

Besonders tragisch ist, dass Trump und die anderen Populisten zu einem Zeitpunkt auf der politischen Bühne erscheinen, in dem wir uns global auf einem guten Weg befanden. Die Politik hatte erkannt, dass sie die Globalisierung in den letzten Jahrzehnten zu wenig durch internationale Kooperation gestaltet hatte. So gibt es mehr Zusammenarbeit zur Austrocknung von Steueroasen. Das Pariser Klimaabkommen war ein großer Fortschritt. Diese zarten Pflänzchen scheint Trump zertrampeln zu wollen.

Politik muss also einen fairen globalen Welthandel gestalten. Kann es da nicht auch sinnvoll sein, mit Zöllen zu drohen, um andere in die Kooperation zu zwingen. Ja, dafür kann es gute Gründe geben. Wenn z.B. China seine Stahlüberschüsse mit staatlichen Geldern subventioniert mit Dumpingpreisen auf den Weltmarkt schmeißt, dann sind Strafzölle gerechtfertigt, die es in der EU auch gibt. Wenn die EU mit staatlich subventionierten Landwirtschaftsprodukten Märkte in Entwicklungsländer zerstört, dann ist es gerechtfertigt, dass diese Länder sich mit Einfuhrzöllen schützen, was sie auch zum Teil schon tun. Trump hat aber eine ganz andere Agenda: Er denkt rein kurzfristig betriebswirtschaftlich und scheint nicht zu begreifen, dass wir mehr und nicht weniger globale Kooperation brauchen. Das Schlimme ist, er wird damit kurzfristig Erfolge haben, indem er ein Strohfeuer entfacht. Die Rechnung bekommen wir alle (einschließlich USA) später.

Aber auch das gehört zu einer fairen Globalisierung: Unterentwickelte Länder müssen die Chance haben mit geringeren Kosten sich Marktanteile zu erobern. Nur so können sie auf einen positiven Entwicklungspfad kommen. Davor dürfen wir uns nicht abschotten und wir dürfen uns auch nicht vor einem Strukturwandel bei uns scheuen; den wir aber sozial gestalten müssen
Die Populisten zertrampeln das Gute, das wir uns mühsam aufgebaut haben und instrumentalisieren das Negative. Sie haben keine Lösungen. Jetzt wäre eine Flucht nach vorne angesagt: Lasst uns die Globalisierung gestalten, den Klimawandel begrenzen, für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen und die Vorteile von Märkten für die Menschen nutzen nicht für Leute wie Trump oder Putin.

Eine mögliche systematische Antwort auf den grassierenden Populismus skizziere ich auf der Seite www.soziale-marktwirtschaft-erneuern.de. Über eine konstruktive Diskussion würde ich mich freuen.