Dienstag, 14. Februar 2017

Merkels Flüchtlingspolitik: Zwischen Versagen und humanitär notwendigen Entscheidungen

Ja, Merkels Flüchtlingspolitik war nicht einfach nur "falsch" oder einfach nur "richtig". Gibt es überhaupt politische Entscheidungen, die nur "richtig" sind?

Trotzdem würde es der politischen Kultur jetzt gut tun, wenn man im Nachhinein den Ablauf reflektiert und auch Fehlentscheidungen beim Namen nennt. Damit ergäbe sich die Möglichkeit die übergroße Mehrheit der Bürger mit der Flüchtlingspolitik Ende 2015 / Anfang 2016 zu versöhnen.

In Budapest haben sich unbeschreibliche Zustände abgespielt. Auf der Balkanroute waren bereits Tausende bei nahendem Winter unterwegs. Es bahnte sich eine humanitäre Katastrophe an, die keiner im Nachhinein hätte verantworten können. In Angesicht der Tatsache, dass sich Tausende in Ungarn zu Fuß auf der Autobahn in Richtung Deutschland aufgemacht hatten, gab es aus humanitärer Sicht keine andere Möglichkeit als zu entscheiden, diesen Menschen zu helfen und Busse loszuschicken.

Der entscheidende Fehler war nun, dass nicht gleichzeitig kommuniziert wurde, dass es sich hierbei um eine humanitäre Einzelaktion handelt. Damit wurde den Menschen suggeriert die Grenzen sind nun offen und alle finden Aufnahme in Deutschland. Damit hat Deutschland das weitere Anschwellen des Flüchtlingsstroms auf der Balkanroute zu einem großen Teil selbst verursacht.

Was hätte statt dessen geschehen können? Man hätte sofort die Länder auf der Balkanroute dabei unterstützen müssen Zäune zu bauen. Was ja dann letztendlich (aber eben zu spät) geschehen ist. Dann hätte das Dublinabkommen sofort wieder in angewendet werden müssen. In der Praxis hätte dies bedeutet, dass man auch auf der Balkanroute Busse losschicken hätte müssen, um die Flüchtlinge zurück nach Griechenland zu bringen, wo sie als erstes die EU betreten haben.

Die Kanzlerin hat in einer Pressekonferenz gesagt: Sie würde gerne die Zeit einige Jahre  zurückdrehen und bedauere es z.B., dass man die Länder im Süden der EU mit der Flüchtlingskrise zu sehr allein gelassen habe. Aber im Herbst 2015 hätte es eine Chance gegeben, diesen Fehler wieder gut zu machen. Frau Merkel hätte den Versuch unternehmen müssen, dass die EU in Griechenland für auf eine gewisse Dauer angelegte Flüchtlingslager für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge finanziert. Ich bin mir sicher, dass wäre politisch möglich gewesen. Das ist ihr großes Versäumnis. Ihr Ansinnen nach dem schrankenlosen Öffnen der Grenzen einen Verteilungsschlüssel in der EU durchzusetzen, war politisch äußerst naiv. Aus den Flüchtlingslagern in Griechenland, hätte dann Deutschland auch eine begrenzte Anzahl nach Deutschland holen können.

Das ging im Herbst 2015 auch völlig unter: Was sollten die syrischen Flüchtlinge eigentlich für einen Status haben? Geht es um eine zeitlich begrenzte Aufnahme oder um eine dauerhafte Einwanderung? Bei Bürgerkriegsflüchtlingen hätte man eindeutig sagen müssen, es handelt sich um eine zeitlich begrenzte Aufnahme. Was bedeutet hätte, dass man für die Kinder und Jugendlichen in den Flüchtlingslagern in ihrer Muttersprache eine gute Ausbilung organisieren hätte müssen, die sie dazu befähigt, nach ihrer Rückkehr ihr Land wieder aufzubauen.

Die entscheidende Frage bei diesem Konzept ist sicher, ob Griechenland und die EU dabei mitgemacht hätten (es hätte auch die Möglichkeit geben, gut geführte Flüchtlingslager auch außerhalb der EU zu errichten und zu finanzieren). Wichtig wäre das Signal gewesen: Die Grenzen nach Europa und speziell nach Deutschland sind nicht offen. Aber die EU hat sich nicht der Herausforderung einer humanitären Katastrophe in seiner unmittelbaren Nachbarschaft und in einer der Wiegen seiner eigenen Kultur gestellt; sondern überließ die ganze Last armen Nachbarländern wie Jordanien oder dem Libanon (mit Ausnahme von Deutschland und wenig anderen). Ich denke, ein EU-Deal innerhalb der EU mit Griechenland wäre politisch möglich gewesen. Jetzt fließen 6 Mrd. € in eine Türkei, die sich immer weiter von uns entfernt.

Die Kanzlerin hat den richtigen Zeitpunkt zum Umsteuern verpasst und kann sich auch jetzt nicht dazu durchringen einzugestehen, dass sie insbesondere nach der humanitär notwendigen Entscheidung im September 2015 entscheidende Fehler gemacht hat. Schade. Dabei hatte der scheidende Bundespräsident ihr eine gute Vorlage gegeben: "Unser Herz ist weit aber auch unsere Möglichkeiten sind begrenzt".

Deutschland kann ökonomisch sicher trotzdem die dann eingetretene sehr hohe Zahl an Flüchtlingen verkraften. Insbesondere da der Zustrom dann eben doch durch "Zäune" gestoppt werden konnte. Aber auch aufgrund der großen Zahl wird die Integration in unseren Arbeitsmarkt bei Vielen nicht gelingen. Auch weil nicht zu sehen ist, dass in unserem Bildungssystem dafür die notwendigen Kapazitäten in einer großen Kraftanstrengung bereitgestellt werden.

Und Merkel hat ihren Teil der Verantwortung beim Brexit und bei der Wahl in den USA.  Aber wer entscheidet macht Fehler und es ist nicht klar, ob die hier vorgestellte Alternative politisch auch möglich gewesen wäre. Aber es würde uns gut tun, wenn wir bei der Aufarbeitung der Flüchtlingskrise aus den Schützengräbern herauskommen und wieder mehr differenzieren würden - nicht nur bei diesem Thema. Glück auf!


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