Es ist erst einmal zutiefst erschütternd, dass ein Typ wir Trump drei mal hintereinander von rund der Hälfte der Wähler gewählt wurde.
Aber hätte die gutwillige Seite dies nicht verhindern können?
Wenn man sich mit den Mechanismen auseinandersetzt, die Hitler an die Macht gebracht haben, dann musste einem seit Jahrzehnten klar sein, dass so etwas auch wieder geschehen kann. Der Satz "Geschichte wiederholt sich nicht" ist einer der dümmsten, die es gibt. Die Grundmechanismen wiederholen sich ständig; natürlich unter den neuen Gegebenheiten der jeweiligen Zeit und mit anderen Personen/Charakteren.
Es hätte vielleicht etwas geholfen, wenn, wie in Deutschland ab Mitte der 60er Jahre, die Grundmechanismen des Populismus und insbesondere des Faschismus im öffentlichen Diskurs auch in den USA aufgearbeitet worden wären und das Dritte Reich nicht nur immer unter der Überschrift verhandelt worden wäre, die Deutschen müssen dafür sorgen, dass so etwas bei ihnen nicht wieder geschieht. Aber leider sieht man ja auch in Deutschland, dass eine solche Aufarbeitung zwar hilft, aber nicht reicht.
Wichtig ist wohl, dass die gutwillige Seite dem Bösen möglichst wenig Zunder liefert. Dazu gehört es Probleme nicht zu beschönigen, Klartext zu sprechen und den konservativen Teil der Bürger nicht zu überfordern.
Eine These von mir ist, dass Demokratien ein Steuer- und Sozialsystem brauchen, das für die Menschen durchschaubar ist und das sie mit einer großen Mehrheit als gerecht empfinden können. In der Realität sind die Steuer- und Sozialsysteme über die Jahrzehnte immer komplexer und undurchschaubarer geworden. Gewachsene Steuer- und Sozialsystem zu reformieren, ist jedoch eine Herkulesaufgabe.
Die aktuelle Wahl in den USA wurde über die beiden Themen Migration und Inflation entschieden.
Wie in diesem Blog seit langem beschrieben, muss die gutwillige Seite in der Lage sein Flüchtlingsmigration hart zu begrenzen. Das ist schlicht und ergreifend ein sozialer Kipppunkt. Es ist schon erschreckend, dass dies von der gutwilligen Seite auch in den USA zu spät erkannt wurde. Hätte Biden die Mauer fertig gebaut, hätte Trump keine Chance auf einer Wiederwahl gehabt.
Ein weiteres tieferliegendes Problem ist, dass absurder Weise, zu viele Menschen sich von den etablierten Politikern belogen fühlen und dann lieber den wählen, der "aufrichtig" lügt. Und da ist auch ein wahrer Kern dahinter. Trump ist in dem Sinne authentisch, dass er das was er sagt wohl auch denkt. Bei der gutwilligen Seite gibt es da meistens einen Filter, weil sie davon ausgehen, dass wenn sie die ganze Wahrheit sagen, dass dies von den Wählern nicht quotiert wird (s.a. Blogbeitrag "Politik-Dilemmata").
Beispiel Inflation: Die Wahrheit ist, dass man dem Wähler hätte sagen müssen, dass die Corona-Pandemie und der Angriffskrieg Putins uns alle zwangsläufig ärmer macht und das dies die Politik auch nicht verhindern kann. Wir können nur versuchen, es für die Ärmsten abzumildern. Wir müssen also zusammen stehen, den unvermeidbaren Wohlstandsverlust erst einmal hinnehmen (nicht schön reden), durch diese schwierige Zeit gemeinsam gehen und uns durch gute Politik wieder nach vorne arbeiten.
Biden hat versucht durch, nach seiner Meinung gute Politik, die USA wieder nach vorne zu bringen (auch mit Erfolg) u.a. durch den Inflation Reduction Act (IRA). Aber das ist genauso ein Beispiel, wo ein zu großer Teil der Menschen sich verarscht fühlt. Der IRA war in erster Linie ein Klimaschutzprogramm und hat die Inflation eher befeuert. Nun kann man lange darüber streiten, ob der IRA trotzdem von der Sache her sinnvoll ist, aber der entscheidende Punkt ist, dass man so einen zu großen Teil der Menschen verliert. Wenn man Klimapolitik machen will, dann sollte man das auch sagen und nicht als Inflationsbekämpfungsprogramm verkaufen. Leider werden Lügen von der gutwilligen Seite vom Wähler bestraft und von der böswilligen Seite nicht.
Insgesamt muss die gutwillige Seite den Mut aufbringen, mehr Klartext zu sprechen und auch notwendige Zumutungen klar zu benennen (mehr Churchill wagen). Auch das ist nicht ohne Risiko. Aber der andere Weg hat gezeigt, dass er nicht funktioniert.
Ja, Trump hätte verhindert werden können, wenn man bei den beiden Themen Migration und Inflation anders agiert und kommuniziert hätte.
Natürlich gibt es noch weitere spezifische Probleme in den USA, die die Wiederwahl möglich gemacht haben. Beispiele sind die Tatsache, dass es in den USA keinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie bei uns gibt, dass die Folgen der Globalisierung viele in den USA viel härter getroffen haben als z.B. die Menschen in Deutschland. Das hat viele Gründe: So fehlt ein entsprechender Sozialstaat und eine entsprechende Strukturpolitik. Außerdem hatte Deutschland einfach das Glück, dass es ab Mitte der 00er-Jahre durch die Lohnzurückhaltung der Gewerkschaften in den Vorjahren, einem schwachen Euro, hoher Produktivität, zu diesem Zeitpunkt noch innovativen Produkten insbesondere bei Autos und Maschinenbau, einer wachsenden Wirtschaft in China, günstiger Energie aus Russland, geringe Verteidigungskosten (da Trump einfach einen Punkt) etc. von der Globalisierung massiv profitieren konnte. Bei zu vielen Menschen in den USA war dies nicht der Fall.
Aber die entscheidenden Punkte waren aktuell: Migration, Inflation und eine Gegenbewegung gegen Wokeness.